Ein Streifzug durch die Geschichte der TCM
Von Ahnen und Dämonen
Die ältesten Belege für ein erstes systematisches Vorgehen gegen Krankheiten in Chia stammen aus dem 11. Jahrhundert v.Chr. Aus dieser sogenannten Shang-Zeit stammen Tierknochen und Schildkrötenpanzer mit Orakelinschriften. Aus diesen kann man entnehmen, dass man hinter einer Krankheit immer das Werk eines Ahnen vermutete, der einem übel mitspielte.
Es war nur verständlich dass daraus ein Opferkult entstand. Man wollte die Ahnen durch die Opfergabe wieder milde stimmen. Dadurch sollte wieder Harmonie in der Sippe entstehen. Die Vermittlerrolle zwischen der Welt der Ahnen und den Lebenden kam den Schamanen zu. Sie wurden somit zu Heilern.
Etwas 500 v. Chr. wurde der Ahnenglaube von einem Glauben an Dämonen und deren böses Spiel abgelöst. In jener Epoche waren viele Götterglauben etabliert. Und wie in vielen andere Religionen beanspruchte jede für sich, die Richtige zu sein. Daraus entstanden natürlich Streitigkeiten über viele Jahrhunderte die zu Kriegen führten. Der Dämonenglaube gründete auf der Vorstellung, dass es Dämonen gibt, die dem Menschen böse mitspielen.
Knapp 200 Jahre später wurde dann schon mit schriftlichen Aufzeichnungen begonnen. Jetzt wollte man das Wissen systematisieren und dokumentieren, während bei uns im Westen immer noch eine magisch inspirierte Volksmedizin praktiziert wurde. Das berühmteste Werk aus dieser Zeit ist das Huangdi neijing, der “Innere Klassiker des Gelben Kaisers”. Dabei handelt es sich um eines der ersten medizinischen Werke der Menschheit. Dabei ging es um den Blutkreislauf des Menschen. Dieses Wissen wurde in Europa erst im 16. Jahrhundert anerkannt.
Auch aus dieser Zeit stammt das Arzneibuch “Shen-nung pen-tsao”. Hier wurden Heilmittel erstmals eingeteilt in Kategorien. Um 90 v.Chr. wurde erstmals das Behandeln von Krankheiten mit Nadeln erwähnt. Dies war der offizielle Beginn der Akupunktur, einer der wichtigsten Säulen der TCM.
Dass sich die chinesische Heilkunst stetig weiterentwickelte, bezeugen Schriftstücke, die man in Grabanlagen fand. Sie stammen aus dem Jahr 168 v.Chr. und beschreiben schon sehr detailliert verschiedene Arznei Mischungen. Auch von den Grundlagen der Diagnose ist die Rede und es werden zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten genannt wie beispielsweise Meditation, gymnastische Übungen, Atemübungen, Bäder, Massagen und sogar Kleinchirurgie.
Lernen durch Naturbeobachtung
Um etwa 220 v. Chr. entwickelten Gelehrte die theoretischen Grundlagen die in den nächsten 3 Jahrhunderten zur Entwicklung der chinesischen Heilkunde führen sollten. Die gesamte Erscheinungswelt wurde geordnet. So entstand auch das Wissen um die 5 Elemente, weil man diese in der Natur beobachten kann. Auch das Wechselspiel von Gehen und Vergehen wurde beobachtet und führte zur Yin-Yang-Theorie.
Im Gegensatz zu unserm westlichen Denken, welches sich auf mehr auf Details konzentriert, ist das östlichen Denken mehr an der Gesamtheit der Natur und dem großen Ganzen interessiert. So gibt es keine Trennung von Körper, Geist und Seele. Diese bilden eine Einheit. Auch dass in der Natur alles ständig in Bewegung ist, wurde auf den Körper übertragen. Auch in uns muss alles fließen können. Das Blut, die Lymphe und nicht zuletzt die Lebensenergie, das berühmte Qi. Dieses Qi wiederum muss zwischen 2 Polen frei fließen können. Es darf nicht zu viel und nicht zu wenig Qi vorhanden sein. Ansonsten kann sich eine Krankheit daraus entwickeln. Das Qi wiederum fließt auf den Meridianen. Dies sind Leitbahnen die den Körper durchziehen und alles miteinander verbinden. Es gibt 12 Hauptmeridiane, welche mit den Organen ihrerseits verbunden sind. Auf den Meridianen wurden die Akupunkturpunkte entdeckt, welche die Möglichkeit bieten, Einfluss auf das Qi des Körpers zu nehmen.
Das Wissen wächst
Die Medizin entwickelte sich kontinuierlich weiter. Schon während der Tang Zeit (618-906 n. Chr.) war es Ärzten möglich Mangelkrankheiten durch Fehlernährung zu behandeln. Darauf mussten die europäischen Völker noch lange warten. Dies war auch der Beginn der Diätetik, der Ernährungslehre wenn man so will. Es entwickelten sich auch verschiedene Schulen, je nach Kultur und Region, die zum Teil sehr unterschiedliche Ausrichtungen hatten. Allerdings war allen gemein, dass sie ihre Erkenntnisse aus Beobachtung und Erfahrung ableiteten. Es wurde gezielt alle Sinne eingesetzt und das Wissen von Yin und Yang und den 5 Elementen bildeten die Basis.
Bei uns in Europa wurde das östliche Wissen ab dem 17. Jahrhundert bekannt. Die Chinesen behandelten Krankheiten mit Kräutern, Ernährung und mit Nadeln. Man stelle sich das vor, wie verblüfft die westlichen Mediziner darüber sein mussten. Das Interesse an der Akupunktur sollte die folgenden Jahrhunderte noch stärker werden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts strebten die westlichen Ärzte einen Austausch mit chinesischen Medizinern an. Leider wurde dieser fruchtbare Kontakt nur wenige Jahrzehnte später durch den Opiumkrieg und den Boxeraufstand unterbrochen.
Einseitige Stärkung der Seele ohne Kultur des Körpers ist der erste Fehler — aber einseitige Bildung des Körpers ohne Kultur der Seele kann dich über mehrere Leben hinweg im Yin-Zustand verharren lassen.
Chinesisches Sprichwort
Die TCM gerät in Vergessenheit
In dieser Zeit entwickelte sich in China die Überzeugung von der wirtschaftlichen und auch medizinischen Überlegenheit des Westens. Im Westen wurden Riesenfortschritte gemacht in der medizinischen Technologie. Die Chirurgie vollbrachte immer beeindruckendere Leistungen. Es gab immer mehr Möglichkeiten auch schwere Krankheiten zu behandeln. Bald sah die chinesische Medizin dagegen sehr alt und rückständig aus. Der Weg aus diesem Dilemma bestand darin, die westliche Medizin zu übernehmen und das traditionelle Wissen zu verwerfen. Dies blieb auch vorerst so. Erst mit der Gründung der Chinesischen Republik 1949 besann man sich wieder der traditionellen Werte und Behandlungsformen und die chinesische Medizin kam wieder zu ihrem Ansehen. Seit dem wird sie auch mit dem Zusatz “Traditionelle” Chinesische Medizin bezeichnet. Sie bleib aber ausschließlich auf China beschränkt. Emigranten exportierten die TCM dann nach und nach in die USA und nach Europa. Erst mit der Öffnung Chinas unter Deng Xiao ping Ender der 60er Jahre kam es zu einer Förderung des Austauschs mit dem Westen.
Von der Mystik zur empirischen Wissenschaft
Bevor die chinesische Heilkunst zu dem wurde was wir heute unter ihr verstehen, war sie beherrscht von einem mystisch dominierten Dämonenglaube. Alles war von bösen Geistern verursacht. Erst mit der Durchsetzung des Daoismus als Naturphilosophie und des Konfuzianismus als Staatslehre wandelte sich das langsam und der Dämonenglaube wurde abgelöst. Begründer des Daoismus war der Philosoph Li-er, bei uns bekannt als Lao-the, der ca. 480 – 390 v. Chr. lebte. Lao-tse verstand unter dem Dao oder auch Tao genannt, den göttlichen Ursprung, aus dem die Welt entstand und zu dem alle Dinge wieder zurückkehren. Der Mensch wird im Daosimus als ein Teil der Natur verstanden und ist deshalb nicht von ihr zu trennen. Ziel der Lehre ist es ein Leben zu leben das auf Einfachheit und Natürlichkeit basiert. Alles wonach ein Daoist strebt ist die Erreichung der Unsterblichkeit oder zumindest der Verlängerung der irdischen Lebensspanne. Um dies zu erreichen, entwickelten sie die verschiedensten Methoden wie Qi Gong und Meditation. Auch die Ernährung hat einen hohen Stellenwert im Daoismus.